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«Der Kreis 8 hat vieles zu bieten - überzeugen Sie sich selbst!»
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überzeugen Sie sich selbst!»

Nik Bärtsch, Pianist, Kompinist, Musikproduzent, Bandleader und Autor

«Im Seefeld haben sich wunderbare Kultorte etabliert»

Der Musiker Nik Bärtsch hat seine Wurzeln im Seefeld. Hier lernte er nicht nur diverse Instrumente, sondern fand zu seinem eigenen Rhythmus. Für uns hat sich der international gefragte Künstler noch kurz vor seiner Amerika-Tournee Zeit genommen. Ein Gespräch über Meditation, Module, Mode, Melancholie und den Moment.

Interview: Sherin Kneifl

Welchen Rhythmus hat für dich das Seefeld?

Den freien, fröhlichen und wilden Rhythmus meiner Jugend. Einerseits erinnere ich mich an den Ablauf meiner Tage als Kind und Jugendlicher im Quartier: zwischen dem Schulhaus, dem alternativen Hort – genannt «Schülerladen» – im Gambrinus an der Wildbachstrasse und der Lengg, wo ich beim FC Seefeld kickte. In der Freizeit waren wir am See und im Mühlebödeli. Andererseits habe ich auch meinen Rhythmus entdeckt und begonnen Musik zu machen. Ich wurde zu Beginn der Schule in der musikalischen Früherziehung ausgeschlossen, weil mich Schlagzeug mehr interessiert hat als Kniegeige und Blockflöte. In unserem Haus an der Wildbachstrasse hatte es viele musizierenden Menschen und ich habe bei den Hausfesten einfach mitgespielt. Ich durfte dann in der Schule bei einem Zirkus, der in der Freizeitanlage Riesbach aufgebaut wurde, Trommel spielen. Das war mein erstes Erlebnis an einem professionellen Rhythmus-Gerät. Neben dem Schlagzeug habe ich bald das Klavier als Groove-Instrument entdeckt; im Seefeld-Schulhaus beobachtete ich einen Jungen, der Boogies auf dem Klavier spielte. Ich bin nach Hause gerannt und habe meiner Mutter gesagt, dass ich genau das lernen möchte. Für mich hatte der Kreis 8 damals den Rhythmus eines rauhen Aussen-Quartiers, einer Abenteuer-Landschaft. Heute ist er etwas gepflegter geworden.

Du bist Mitgründer des Clubs EXIL in Züri-West. Warum kein Club im Kreis 8, wo du aufgewachsen bist? Hier hat es doch wenig Szene-Orte um zu feiern.

Ich bin mit Anfang 20 in den Kreis 6 gezogen, später nach einer Odyssee auf dem Land dann in den Kreis 5. Der war damals in den 2000 Jahren das neue Seefeld: roh, direkt und lebendig. Wir konnten dort mit einer kleinen Gruppe von Kreativ-Unternehmern ein Haus provisorisch übernehmen und so haben wir das EXIL gegründet. Zuerst dachten wir, es ginge nur eine Weile, aber mittlerweile gibt es den Club seit 15 Jahren. Er ist eine Institution geworden.


ZKO Haus Kreis 8

Foto: Das ZKO-Haus, Seefeldstrasse 305

Wo konsumierst du Musik im Kreis 8?


Es haben sich im Seefeld wunderbare Kulturorte etabliert wie die Mühle Tiefenbrunnen mit dem Millers Studio, das ZKO Haus oder die alte Lebewohl Fabrik. Auch in der Neumünsterkirche gibt es oft ausgezeichnete Konzerte.

Du nennst fast alle deine Stücke – ob als Solo-Künstler oder mit deinen Bandprojekten –Modul. Wie «setzt» du einen Song zusammen?

Ein Modul ist ein komponierter musikalischer Baustein, eine Idee, eine musikalische Figur. Dies kann ein einfaches Pattern (ein musikalisches Muster) oder grössere Einheiten umfassen. Module können auch übereinander gelagert und kombiniert werden. Formen und Stücke ergeben sich aus Wiederholungen der Muster, aus Überlagerung von rhythmischen Mustern und aus Zyklen. Ein Modul, welches zu einem Stück ausgebaut wird und daher eine Nummer kriegt, kann mit klassischen Interpretengruppen nach Noten gespielt werden oder mit einer Band, die den freieren, improvisierenden oder variierenden Umgang mit komponiertem Material gewohnt ist, z.B. meine Band RONIN.

Nik Bärtsch

Foto: Nik Bärtsch's Mobile Extended live - Brussels Jazz Festival 2017

Die Wiederholung ist eines der zentralen Motive in deiner Musik. Was wiederholt sich häufig in deinem Alltag?

Ich habe sehr viele ritualisierte Abläufe, damit ein Workflow entsteht und ich nicht überlegen und entscheiden muss, etwa bei der Kleiderauswahl oder der Wochengestaltung. Immer am Montag gibt es den Workshop und das Konzert im EXIL. Immer am Dienstag bin ich im Büro. Dienstagabends gehe ich ins Aikido-Training etc. Wiederholung mit Sorgfalt und ohne Routine hat viel Lernpotenzial. Wir können damit unsere Wahrnehmung differenzieren. Lernen heisst verfeinern und vertiefen. Das Wiederholen erfrischt mich, weil jedes Mal das Gleiche so anders ist.

Du trägst stets avantgardistische Kleidung. Was bedeutet Mode für dich?

Meine Kleider sind designt von Christa de Carouge (und nun von ihrer Nachfolgerin DE NIZ), die ja auch lange Jahre in der Mühle Tiefenbrunnen ihr Atelier hatte. Ich habe zahlreiche Stunden bei ihr im Atelier verbracht und habe dabei viel über Design und kreatives Unternehmertum gelernt. Ich mochte ihren Stil und sie meine Musik. Beides passt irgendwie zusammen. Swiss Design und Schweizer Handwerk.

Nik Bärtsch

Foto: Nik Bärtsch trägt Couture Design by De Niz

Trägst du Schwarz wegen Licht und Schatten?


Schwarz ist in Japan die Farbe des Lebens. Auf der Bühne ist schwarz auch neutral und man stört nicht das Licht. Und das Leben ist ja einfach eine grössere Bühne. Nie das Licht stören – das hat mit Bescheidenheit zu tun.

Anfang März gab es in der Mühle Tiefenbrunnen den Mode-Apéro De Niz x Ronin: Couture Design, getragen und inspiriert von Nik. Zudem inspirierst du die Künstlerin Elzara Oiseau und hast auch kürzlich ein Bild zusammen mit ihr erschaffen. Bist du lieber Muse oder Musiker?

Im Idealfall beides! Andere Menschen zu inspirieren und inspiriert werden ist sowohl Geschenk als auch Aufgabe. Ich nenne das Inspirationskette. Wir sind alle füreinander verantwortlich.

Welchen Song hörst du und deine Welt färbt sich sofort rosarot?

«Walkin’ After Midnight» von der kanadischen Sängerin Madeleine Peyroux. Ihre Stimme und ihre Band haben positive Melancholie und Kraft und Sanftheit zugleich. Die Welt ist da zwar eher «blue» aber ich muss immer weinen und lachen gleichzeitig. So ist wohl das Leben.

Du betreibst Aikido, machst Zen Meditation: Wie einst du Körper, Geist und Seele auf der Bühne?

Dafür braucht es eben Training. Täglich zu üben hilft, um dann im entscheidenden Moment auf den Punkt zu kommen. Ich möchte nicht auf die Inspiration warten sondern sie generieren. Kreativität ist mein Beruf. Jedes Konzert könnte mein letztes sein. Also bin ich besser voll da und geniesse es als Teil einer Gemeinschaft. Ohne Training falle ich ganz schnell aus dem Moment.

Kirche Neumünster

Foto: Kirche Neumünster, Neumünsterstrasse 10

Kennst du meditative Orte im Seefeld?

Der botanische Garten, vor allem im Winter. Dazu die Kirche Neumünster, in der ich auch wunderbare Konzerte erleben und spielen durfte.

Was möchtest du mit deiner Musik bewirken?

Musik ist das Gegenteil von Krieg. Für ihr Gelingen braucht es gegenseitigen Respekt, sorgfältiges Zusammenspiel, Platz und Stille, aktives Zuhören und eine grosse soziale Gemeinsamkeit aller Beteiligten inklusive dem Publikum. Musik ist wie ein soziales Mandala – äusserst fragil und trotzdem ungeheuer stark und symbolträchtig. Daher empfinde ich Musik als eine grundlegende gesellschaftliche Energie. Diese Energie und die Haltung dahinter möchte ich mit anderen teilen und vorleben.

Ein Lebensprinzip von dir ist die Reduktion auf das Wesentliche. Worauf könntest du nicht verzichten?

Auf Musik, meine Familie, Humor und exzellenten japanischen Grüntee.

Weitere Informationen
nikbaertsch.com


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